Bedarf und Ziele

Vor mehr als 100 Jahren hat sich im mitteldeutschen Chemiedreieck ein Rohstoffverbund auf Basis der Braunkohle entwickelt und diente fortan als verlässlicher Energie- und Rohstofflieferant. Bis zum Zweiten Weltkrieg war die deutsche Basischemie, die sich auf die Herstellung von Kunststoffen, Synthesekautschuk, Kraftstoffen und Dünger konzentrierte, hauptsächlich in Mitteldeutschland angesiedelt. Die Standorte verfügten über eine gute Infrastruktur: Pipelines und eine ausgeklügelte Logistik versorgten die Standorte mit Braunkohle aus den umliegenden Tagebauen. Zusätzlich wurde die Stromversorgung für Industrie und Bevölkerung durch wichtige Knotenpunkte und Verbindungstrassen bis in die Lausitz gewährleistet. Nach dem Zweiten Weltkrieg vollzog sich in der DDR ein teilweiser Übergang zur Petrochemie, wobei die Hälfte der benötigten Energie von der Braunkohle geliefert wurde. Im Zuge der politischen und gesellschaftlichen Wende konnten durch den maroden Zustand der bestehenden Anlagen diese nicht saniert und folglich auch nicht privatisiert werden. Die Konsequenz war ein tiefgreifender Strukturbruch, sodass sich der notwendige weltweite Spezialisierungsprozess der Wertschöpfungskette in Mitteldeutschland nur in Ansätzen vollzog. Der petrochemische Rohstoffverbund bestand aus nur einer Raffinerie und einer Vielzahl kleiner und mittelständischer Unternehmen, wobei die Basischemie im Vordergrund blieb und die Braunkohle kostengünstige Energie und Prozesswärme lieferte.

Die vielen produzierenden Unternehmen und die Chemieindustrie im Allgemeinen stehen nun vor der Herausforderung, neue Wege der Transformation zu finden. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Frage, wie mit einer zirkulären Wirtschaft und weniger CO2-Emissionen die Rohstoffbasis von Öl und Gas schrittweise ergänzt und perspektivisch gar substituiert werden kann. Innovation und Digitalisierung werden stete Begleiter auf dem Weg zu mehr Wertschöpfung durch Spezialprodukte, zu einer zirkulären Wirtschaft mit Nutzung des Kohlenstoffs sein. Auch in Zukunft wird für die Chemieindustrie Kohlenstoff unverzichtbare Basis. Ziel ist es, eine Transformationsmöglichkeit zu erarbeiten, wie mit einheimischer Braunkohle auf Öl- und Gasimporte verzichtet werden kann. In der zirkulären Wirtschaft wird der Kohlenstoff der Kunststoffabfälle zum rohstofflichen Ausgangspunkt. Dabei wird die Braunkohle den Kohlenstoff liefern, der im zirkulären Kreislauf (momentan) noch nicht verfügbar ist. Um CO2-Emissionen einzugrenzen und zu verhindern, kommt der strombasierten Wasserstofftechnik eine elementare Rolle zu. Für dasmitteldeutsche Industriedreieck mit seinem einzigen Rohstoffverbund ergibt sich die Notwendigkeit, gemeinsam mit den Unternehmen diesen weiterzuentwickeln. Die bisher nur ansatzweise entwickelte Wertschöpfung mit in den Bereichen Leicht- und Spezialchemie muss ausgebaut und die Industrieforschung weiter vorangetrieben werden. Mit CarbonDemonstration besteht die Möglichkeit, Vorbild für andere Regionen und Chemiestandorte zu werden, da diese sich mit einem neuerlichen Strukturwandel im Zuge des drohenden Wegfalls der Braunkohleverstromung und den strengeren Anforderungen des Klimaschutzes gleichermaßen konfrontiert sehen.

Effekte für die Region und darüber hinaus

Mit der Pilotanlage wird Mitteldeutschland Vorreiter in der Transformation zur Chemie 4.0, da ein Kompetenzzentrum für Kreislaufwirtschaftssysteme entsteht. Zudem entstehen neue Stellen für Wissenschaftler, die für eine zusätzliche Initialwirkung für den Standort sorgen. Durch die neue Technologie kann einerseits die chemische Industrie in Mitteldeutschland langfristig gesichert und zukunftsfähig aufgestellt werden, andererseits bleibt die Bergbauinfrastruktur samt Beschäftigten und Kompetenzen bestehen. Ferner entstehen im Bereich stoffumwandelndes Recycling neue Arbeitsplätze. Es wird der Grundstein für eine ressourcenschonende zirkuläre Chemie mit einem verringerten CO2-Ausstoß unter Wiederverwendung von Kohlenstoff aus dem Wirtschaftszyklus gelegt. Die Technologie bietet nicht nur die Möglichkeit, den Strukturwandel ökonomisch und ökologisch, sondern auch sozialverträglich zu gestalten.